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Abstract

Zusammenfassung

Gegenwärtig steuert die Weltgemeinschaft auf eine globale Erwärmung von 2,1-3,9 ° zum Ende des Jahrhunderts zu. Die Häufigkeit und Verbreitung von Fischarten wird sich dadurch in fundamentaler Weise verändern. Vorausschauendes Fischerei- und Artenschutzmanagement muss diese Verwerfungen antizipieren, um rechtzeitig und wirksam reagieren zu können. Dieser Essay beleuchtet anhand von aktuellen Fallstudien wahrscheinliche Arealveränderungen ausgewählter Fischarten in Südwestdeutschland und zeigt die Konsequenzen der Klimakrise für die langfristige Wirksamkeit von FFH-Schutzgebieten für Fische auf. Unter realistischen Zukunftsannahmen werden gut geeignete Lebensräume für die Kälte-liebende Bachforelle in Baden-Württemberg bis zum Ende des Jahrhunderts um rund 80 % abnehmen und sich in größere Höhen verlagern, während geeignete Lebensräume für die eurythermen Generalisten Rotauge und Flussbarsch im Gegenzug deutlich zunehmen und sich möglicherweise sogar verdoppeln. Für die deutsche FFH-Fischfauna zeigt sich auf kontinentalem Maßstab ein Trend zu Arealverschiebungen in nordöstlicher Richtung und/oder größere Höhenlagen. Ein Drittel bis über die Hälfte der FFH-Arten, darunter Flussperl- und Bachmuschel, Steinkrebs, Bachneunauge, Groppe, Huchen, Steinbeißer und Schlammpeitzger sowie verschiedene Donau-Endemiten, werden dadurch bis zum Ende des Jahrhunderts mehr als 75 % der derzeit ausgewiesenen FFH-Gebiete als gut geeigneten Lebensraum verlieren. Anders als landlebende oder nur zeitweilig im Wasser lebende Artengruppen, haben Fische als hololimnische Taxa nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten ihrer Klimanische zu folgen und in neu geeignete Lebensräume oder Schutzgebiete einzuwandern. Ein effektives Gegensteuern erfordert daher wesentlich mehr aktives Handeln als in Landlebensräumen und umfasst Förderung der natürlichen Klimaresilienz, Wiederherstellung der Längs- und Quervernetzung, gezielte Ansiedlungen, Identifikation und Schutz von Klimarefugien sowie Erhalt der genetischen Vielfalt als mögliche Anpassungsmaßnahmen.  

 

Fazit

Die Häufigkeit und Verbreitung von Fischarten wird sich durch die menschengemachte Klimakrise in fundamentaler Weise verändern. Gegenwärtig noch weitverbreitete, dominante Arten der Gewässeroberläufe werden stark zurückgehen, während in den Mittel- und Unterläufen eine Homogenisierung der Fischfauna einsetzt. Es besteht die reale Gefahr, dass bestimmte Formen der Fischerei wie das beliebte Fliegenfischen auf Forelle oder Äsche massiv eingeschränkt und vielerorts nicht mehr möglich sein werden. Die Entkopplung von gegenwärtig ausgewiesen FFH-Gebieten und zukünftig gut geeigneten Fischlebensräumen untergräbt zudem die langfristige Wirksamkeit des Natura 2000-Netzes für den europäischen Fischartenschutz. Die absehbare Veränderung von Verbreitungsarealen stellt zuletzt auch die Gewässerüberwachung und –bewertung vor gewaltige Herausforderungen. Denn Referenzzustände und Zielvorgaben sind oftmals an Leitbilder geknüpft, die von historischen Verbreitungen und Bestandssituationen abgeleitet wurden, angesichts der Klimakrise aber kaum mehr zu erreichen sein werden. Unter dem Strich ist eine vorausschauende Auseinandersetzung mit dem Klimawandel das wohl wichtigste Zukunftsthema der Fischerei. Die Initiierung der „Zukunftskommission Fischerei“ sollte daher auch Anlass für ein Neudenken der zukünftigen fischereilichen Rahmenbedingungen und des fischereilichen Handelns sowie des Fischartenschutzes im Hinblick auf eine nachhaltige Klimaanpassung sein.